Festlicher Beginn mit Wagner

Tagesfahrt nach Halberstadt anlässlich des 100. Geburtstages des Orchesters des Nordharzer Städtebundtheaters

Es ist der 26. Januar 2019 und in der Nacht hatte es in Leipzig heftig geschneit und der Schnee ging am Vormittag in Regen über. Wider Erwarten erschienen 45 der 48 Mitreisenden des ausverkauften Busses und sie hatten recht. Schnee sollte uns an diesem Tag nicht beinträchtigen. Auch nicht das Orchester des Städtebundtheaters, auf das die Musikfreunde der beiden Städte Halberstadt und Quedlinburg stolz sein können. Und unser Besuch war ein voller Erfolg, wenn auch mit Abstrichen.

Die mussten wir an mancher Stelle machen, weil die Uhren in Sachsen-Anhalt wohl anders gehen, doch die Krönung war der Besuch der Halberstädter Wurstfabrik, die eigentlich ein Werbeträger sein sollte. Schwamm über den chaotischen Empfang und die Penetranz, mit der die “Wurstfabrikerklärerin” immer wieder beklagte, zu wenig Zeit für ihren “Vortrag” zu haben. Hätte sie nur ein Viertel der Zeit gesprochen, es wäre mehr als genug gewesen. Denn die gleichen Informationen folgten noch einmal im darauf folgenden Film. Aber großer Respekt vor dem allein gelassenen Lehrling, der mit einer Hilfskraft die Gastronomie meistern sollte und mehr als sein Bestes gab. Trotzdem war da kein Zeitplan mehr zu halten, wenn 17 Minuten vor Beginn des nächsten Termins im Stadtzentrum immer noch kein Essen auf dem Tisch stand. Da packte man gern selbst zu, um die Terrinen mit der Kartoffelsuppe und die Teller mit den Wiener Würstchen, beides ausnehmend wohlschmeckend, endlich auf den Tisch zu bekommen. Dem jungen Mann kann man nur eine bessere berufliche Zukunft wünschen. Wir verließen mit „nur“ 45 Minuten Verspätung das Haus. Das Stadtmarketing sollte den Chefs des Unternehmens nach Lehrte/Niedersachsen einmal schreiben, wie imageschädigend für die eigene Stadt solche Erfahrungen bei einer Firma sind, die Halberstadt im Firmennamen trägt.

Genug geschimpft. Dass es auch anders gehen kann bewies man uns im Haus d e s Netzwerkers der deutschen Literatur und Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Die ebenfalls aus Niedersachsen stammende Direktorin Dr. Ute Pott hat ihr Haus im Griff und weiß selbst auch auf spannende und unterhaltsame Weise Idee und Umsetzung dieses einmaligen Literatur- und Geschichtshauses dem Besucher nahe zu bringen – zeitgemäß und Neugier weckend. Aufklärung durch Aufklärung. Die vielen anwesenden Kinder und ihre Eltern sprachen ebenso dafür. Ein Besuch ist sehr empfehlenswert, gerade jetzt im Jahr des 300. Geburtstags Gleims. Da Dom, Domschatz und Liebfrauenkirche in der Winterzeit bereits um 16 Uhr schließen, gab es manche lange Gesichter. Ein Grund mehr, wieder hinzufahren angesichts dieses architektonischen Glanzpunktes der Gotik und der romanischen Chorschranken der Liebfrauenkirche.

Im Theater Quedlinburg begrüßte uns Intendant Johannes Rieger gemeinsam mit Gastsängerin Bettine Kampp aus Leipzig. In einer Sondereinführung von Dramaturgin Silke Nuss erhielten wir eine umfassende Übersicht über Halberstadts Wagner-Tradition. Das “Meistersinger”-Vorspiel konnte uns noch nicht überzeugen aber gemessen an den Möglichkeiten und der Leistungsfähigkeit dieses Ensembles erlebten wir ein glanzvolles Sinfoniekonzert mit Auszügen aus den Werken, die zu den Halberstädter Richard-Wagner-Festtagen zwischen 1903 und 1910 gegeben wurden. Großer Applaus und Dank an Intendant MD Johannes Rieger als Dirigent, das Orchester und die Solisten KS Gerlind Schröder (Mezzosopran), Juha Koskela (Bariton) und als Gast in besonderer Weise unserem Verbandsmitglied Bettine Kampp (Sopran). Ihre Interpretation der Isolde und der Brünnhilde aus der Götterdämmerung waren noch lange Gesprächsthema im Bus bei der Rückfahrt. Und da war von Winter und Schnee überhaupt nichts mehr zu sehen.