Wagner und die Ouvertüre

Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Stefan Keym

Für den ersten Vortrag im neuen Veranstaltungsjahr, der in Kooperation unseres Verbandes mit der Kulturstiftung Leipzig am 21. September in der Alten Nikolaischule Leipzig stattfand, konnte der renommierte Leipziger Universitätsprofessor Dr. Stefan Keym gewonnen werden. Sein Thema führte ins Zentrum von Wagners Schaffen und hätte deshalb ein zahlreicheres Publikum verdient gehabt, als tatsächlich erschienen war.

Richard Wagner hat zwanzig Ouvertüren komponiert. Unter den ersten zehn, die bis 1840 entstanden, befinden sich fünf Konzertouvertüren. Die folgenden zehn sind Vorspiele zu den Opern bzw. Musikdramen, die den Bayreuther Kanon bilden. An der Schnittstelle zwischen diesen Gruppen hat sich Wagner in einer kleinen Schrift „Über die Ouvertüre“ zu deren Sinn und Zweck geäußert. Diesen sah er darin, „daß mit den eigentlichen Mitteln der selbständigen Musik die charakteristische Idee des Dramas wiedergegeben und zu einem Abschluß geführt würde, welcher der Lösung der Aufgabe des szenischen Spieles vorahnungsvoll entspräche.“

Wie Wagner dieses Vorhaben konkret ausführte, demonstrierte Prof. Dr. Keym exemplarisch anhand der Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“. Deren musikalische Motive wurden von ihm abschnittweise im Notenbild gezeigt und im Orchesterklang vorgeführt. Dabei ließ sich jeweils durch direkte Vergleiche gut nachvollziehen, wie die einzelnen Teile der Ouvertüre mit bestimmten szenischen Abschnitten der Oper korrespondieren. Gleichzeitig konnte verfolgt werden, wie sich die Ouvertüre, für sich genommen, der Sonatenform annähert.
Die kürzere Betrachtung der Vorspiele zu den neun folgenden Bühnenwerken offenbarte eine große Vielfalt in den musikalischen Strategien und Formen mit der Tendenz, die Konfliktlösung des Dramas noch nicht vorwegzunehmen, sondern eine Grundstimmung zu erzeugen, die emotional unmittelbar in die folgende Handlung hineinführt.
Der sachliche und bereichernde Vortrag wurde von den Anwesenden dankbar aufgenommen.

Reinhard Pfundt