Wagner in Korrelation zu Frau und Weiblichkeit

Innerhalb der Vortragsreihe des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig war am 16. Februar 2023 der Musiker und Musikwissenschaftler Paul Simon Kranz in der Stadtbibliothek zu Gast. Er sprach zu dem Thema „Richard Wagner und ‚das Weibliche‘“. Damit warb er für sein 2021 im Rahmen der „Frankfurter Wagner-Kontexte“ erschienenes gleichnamiges Buch, in dem er die „Interdependenzen von Philosophie, Leben und frühem Werk“ Wagners untersucht.

Vor dem Hintergrund des Frauenbildes im 19. Jahrhundert zeigte Kranz, wie der junge Wagner nach seinen Vorbildern Platon, Fichte und Feuerbach eine eigene Philosophie der Erlösung des menschlichen Daseins und der Natur durch die Liebe entwickelte und in seinen Texten „Jesus von Nazareth“, „Das Kunstwerk der Zukunft“, „Oper und Drama“ sowie „Eine Mitteilung an meine Freunde“ formulierte. Zweck der Liebe sei die „Entäußerung des Egoismus“ durch das Aufgehen des Ich im Du. „Die Natur des Weibes ist die Liebe: aber diese Liebe ist die empfangende und in der Empfängnis rückhaltslos sich hingebende.“

Der unter fünf Schwestern aufwachsende Wagner hatte vor allem von deren ältester, Rosalie, liebevolle Zuwendung erlebt. Als ideale Ehefrau betrachtete er später eine gleich starke, dem Mann in wahrer Liebe verbundene, lebenspraktische Fähigkeiten besitzende und auch im geistigen Bereich ihn verstehende Partnerin. Eine solche fand er in seiner Ehe mit Cosima.

Projektionen seines sich wandelnden Frauenbildes enthalten Wagners Bühnenwerke, in denen die Frauen oft gegenüber den Männern die stärkeren Figuren sind. Paul Simon Kranz ging dabei besonders auf Senta als Wagners „Weib der Zukunft“ und „das wahrhaft Weibliche“ in Elsa ein, während Ortrud im Sinne Wagners als das Negativbeispiel einer „politischen“ Frau diente.

Erstaunlich war die tiefgründige und weitreichende Erfassung der komplexen Problematik durch den jungen Referenten, erfreulich sein empathisches, vorurteilsfrei sachliches Herangehen, eindrücklich seine Präsentation in Wort, Ton und Bild.

Reinhard Pfundt

Fotos: Prof. Dr. Dr. Helmut Loos