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Mitgliederversammlung und Sommerfest des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig am 17. Juni 2021 auf Kulturgut Ermiltz
Der Bus mit den Mitgliedern traf pünktlich ein, es konnte 11 Uhr begonnen werden. Kultur-Gut Ermlitz empfing den Verband einmal wieder nach längerer Pause, 2011 war es das letzte Mal, davor 2009. Das Herrenhaus bildete das erfreuliche Entree, davor öffnet sich der schöne Park mit dem Blumenrondell und den mächtigen Bäumen, mit Vogelgezwitscher, Sonne und Sommerhitze. Zum Glück war als Tagungsort der Schatten unter der großen Kastanie gewählt worden – so kamen alsbald heitere Landempfindungen auf. Hornstöße à la Wagner (Ehrenfried Wagner) eröffneten die Regularien. Der Verbandsvorsitzende Pro. Dr. Helmut Loos trug den Jahresbericht 2020 vor. 398 Mitglieder zähle der Verband derzeit. Viele der im Jahresprogramm angekündigten Vorhaben waren coronabedingt ausgefallen. Schwere Einschnitte im Berichtszeitraum bedeuteten der Tod des Ehrenvorsitzenden Prof. Dr. sc. Werner Wolf und der Rückzug von Thomas Krakow als Verbandsvorsitzender. Prof. Loos: „Ihre Verdienste bleiben unvergessen.“ Auf der jährlichen Mitgliederversammlung, 11. März 2020, wurde mit und um Prof. Loos ein neuer Vorstand gewählt. Veranstaltungen, Vorträge, Opernbesuche – alles musste auf kleiner Flamme gehalten werden. Einen Schwerpunkt bildeten Ankauf und Anlieferung des Wagner-Reliefs von Emil Hipp. Wie zu erwarten, kreiste darum auch die spätere Diskussion. Ein neues Domizil fand die Geschäftsstelle im Kickerlingsberg 6. Mit einem Dank an die Sponsoren und an den Geschäftsstellenleiter Josef Hauer sowie seine hilfreichen Mitglieder – auch für die Organisation des heutigen Tages – schloss der Verbandsvorsitzende unter Applaus seinen Bericht.
Herzlicher Applaus empfing auch Frau Eleonore Petzold bei ihrem Eintreffen. Am 15. Juni konnte sie ihren 90. Geburtstag feiern. 1983 hatte sie den Verband mitbegründet und jahrzehntelang die Stipendiaten hervorragend mitbetreut. Heute unterstützt sie die Stipendiatenbeauftragten Torsten Reh und Klaus-Michael Weinmann dabei. Dann: Grußwort des Bürgermeisters der Gemeinde Schkopau, Torsten Ringling. Er freue sich, dass der Verband sich abermals für Ermlitz entschied habe und insbesondere darüber, am heutigen Tag bei der Einweihung des temporär hier aufgestellten Reliefs von Emil Hipp „Siegfried – Feuerzauber und Bezwingung der Brünhilde“ dabei sein zu können. Seine Region sei reich an Entdeckenswertem, wovon man in Leipzig kaum etwas wüsste. Wirtschaftlich werde sie von den Leuna- und Buna-Werken geprägt, umso erfreulicher seien kulturelle Glanzpunkte wie Ermlitz.
Im Anschluss trug Vorstandmitglied und Schatzmeister Stefan Lochner den Jahresabschluss für 2020 vor. Die Planung für 2021 geht von einem ausgeglichenen Ergebnis aus. Herr Weinmann schloss sich als Kassenprüfer an und vermerkte Korrektheit in der Führung der Unterlagen. Somit konnte, auf Antrag aus der Mitgliederschaft, dem Vorstand für 2020 Entlastung erteilt werden.
Künftige Aktivitäten benannte wiederum der Vorsitzende in seinem Ausblick. Das Programm werde derzeit konkretisiert, man hoffe nach der Pandemie auf deutlich bessere Realisierungschancen. Im Dezernat Kultur der Stadt genieße man Wertschätzung, allerdings korreliere diese leider noch nicht mit einer Förderung der Verbandstätigkeit. Das Hipp-Relief
würde uns weiter beschäftigen und herausfordern. Aus der ursprünglichen Idee einer musikwissenschaftlichen Konferenz mit dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig und dem Stadtgeschichtlichen Museum entwickele sich gegenwärtig das Projekt, Leipzig und seine Musik im Nationalsozialismus zu thematisieren, wobei Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy als zwei Leitfiguren der Leipziger Musikgeschichte im Mittelpunkt stünden. Endlich gibt es für 2022 auch wieder Reisepläne: nach Madrid zur „Götterdämmerung“ und nach Wien zu „Tristan und Isolde“.
Vom Barbecue-Stand wehte bereits appetitmachender Duft zum Tagungsort hinüber. Rasch waren von Helferinnen und Helfern Tische aufgestellt worden; man bediente sich am Gegrillten sowie am Salat- und Getränkebuffet. Die große Kastanie spendete jetzt Schatten für eine erfrischende und erfreuliche Mittagszeit mit vielen Begegnungen und relaxten Gesprächen. Start ins Sommerfest! Ein leibhaftiger „Richard Wagner“ (Andrew York) trat zur Unterhaltung auf, vollführte allerlei Kunststückchen und erläuterte im reinsten Sächsisch, warum seine Garderobe – rote Schleife, Barett, bunte Weste, Stehkragen – ziemlich extravagant ausfalle: Er sei zwischen seinen vielen Schwestern „feministisch erzogen“ worden.
Erneuter Hornruf – zur Einweihung des Hipp-Reliefs diesmal. Die Zeremonie an der vorderen Schauseite des Herrenhauses nahmen „Richard“ und der Hornspieler vor, letzterer in Ritterrüstung und barfuß. Noch ist das umstrittene Werk, einer der beiden 1944 von Emil Hipp fertiggestellten und unlängst nach Leipzig gelangten kolossalen Blöcke aus Korallen-Kalkstein, mit einem grünen Tuch verhüllt. Als man die Schleife mit Schwert und Speer schließlich gelöst hatte (Knoten im Band!), kam die Eingangsszene des 3. Aktes aus „Siegfried“ zum Vorschein: „Erwache! Erwache! Heiliges Weib!“ (Der sich im Stadtgeschichtlichen Museum befindliche Block zeigt Hans Sachs.)
Ab 15 Uhr Rundgang durch´s Gelände und das Herrenhaus. Nach der Besichtigung des ehem. Kuhstalls, der sich für allerlei Festivitäten anbietet, beispielsweise nach einer Trauung, die auf dem Kultur-Gut möglich ist, ließ es sich die Hausherrin Gabriela Mackenthun nicht nehmen, das Herrenhaus vorzuführen. Die größten Schätze birgt die erste Etage: in Guache-Technik bemalte Leinwandtapeten aus dem 18. Jh., die dank einer Abdeckung zur Zeit der Nutzung des Gebäudes als Kinderheim erhalten geblieben waren, jedoch aufwändig restauriert werden mussten. An den Wänden der stilvoll eingerichteten Räume Porträts von Persönlichkeiten aus der Apel-Familie, darunter von Heinrich Friedrich Innozenz Apel, der das Gut 1771 aus den Händen derer von Bose erworben hatte. Wahrscheinlich ab 1730 war das Herrenhaus entstanden. Mit einem jüngeren Spross der Familie, Guido Theodor Apel, war Richard Wagner während ihrer gemeinsamen Schulzeit an der Leipziger Nikolaischule und späterhin befreundet. Wagners Verbindung zu Ermlitz und seine Aufenthalte hier sind es auch, die den Verband erneut veranlassten, hier zu tagen. „Ich nehme Dein Anerbieten einer Zuflucht in Ermlitz an“, schrieb er dem Freund hilfesuchend am 6. Mai 1836. „Mein Horizont umwölkt sich immer mehr.“ Gefragt, was in den seit der letzten Verbandstagung vergangenen Jahren besondere Ereignisse im Kultur-Gut gewesen wären, antwortete Frau Mackenthun: die Restaurierung der Tapeten natürlich. Alleine das hätte eine halbe Million Euro verschlungen. Die Grundsanierung des gesamten Hauses. Der Wiederaufbau der Orangerie auf den alten Grundmauern; darin lebten sie und ihr Gatte seit 2017. Das Ehepaar
Arnd und Gabriela Mackenthun hatte das Gut vom letzten Nachkommen der Familie, dem 2012 verstorbenen Gerd-Heinrich Apel, geerbt. Er war der Onkel von Arnd Mackenthun und konnte das Gut 2001 zurückerwerben. Landesfördermittel, so Gabriela Mackenthun, flössen spärlich: Für Sachsen-Anhalts Landehauptstadt Magdeburg läge Ermlitz „einfach zu weit weg“.
Gang zur Kirche, die im Kern romanisch ist und über eine ebenso gediegene wie anheimelnde barockzeitliche Ausstattung verfügt. Gut und Kirche in enger Nachbarschaft: die alte Gutsherrlichkeit. Hier präsentierte sich Ehrenfried Wagner als Konzertorganist an der Ladegastorgel („Was da klappert, sind nicht die Holzbeine des Organisten, sondern die Tasten der Orgel.“) Zwei glänzend gespielte Phantasien über „Wunderbarer König, Herrscher von uns allen“ und „Herr, wir preisen deine Stärke“ brachte er zu Gehör.
Sodann Kaffee und Kuchen unter der Kastanie bis zum „Literaturkonzert“ 18 Uhr im Festsaal des Schlosses. Steffi Böttiger trug mit Schwung und Esprit Wagners 1842 entstandenen Text „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“ vor. Zwischenein Klaviermusik von Beethoven und Wagner zu vier Händen, wunderbar vorgetragen von Konstanze Hollitzer und Alvaro Campos. Im Repertoire: Beethovens „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“ aus seiner 6. Sinfonie „Pastorale“. Passender konnte man es gar nicht wählen…
Rolf Sprink