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Frühling am Golf von Neapel
Einen wahren Frühlingstraum bot uns Ende April unsere Verbandsreise nach Neapel. Hatte schon Richard Wagner seiner Zeit die Schönheit der Gegend wertgeschätzt, so hatte auch ihn der Eindruck des steten Chaos, das Sprudelnde der Stadt Neapel und die Morbidität des Lebens an den Hängen des Vesuvs in Bann gezogen.
Am Mittwoch, dem 26. April, sammelten sich die Reiseteilnehmer unseres Verbandes und die Gäste des Reisebüros „artmaks“ aus Braunschweig am Flughafen in Frankfurt, von wo aus die gemeinsame Anreise angetreten wurde. In Neapel angekommen, wurden wir von unserer Stadtführerin Francesca in Empfang genommen, die uns im Laufe der folgenden Tage begleiten würde. Zunächst unternahmen wir eine Stadtrundfahrt, um einen Überblick zu erhalten und um die Monumental-Bauten rund um den Palazzo Reale kennen zu lernen. Nachdem am Abend im Hotel auch noch selbstangereiste Teilnehmer sich angeschlossen hatten, wurde der erste Tag von einem mit maritimen Spezialitäten gespickten, mehrgängigen Menü im Hotel abgeschlossen.
Am nächsten Morgen führte uns Francesca durch ihre Heimatstadt, wobei sie vor allem auf die wechselhafte und turbulente Geschichte zu sprechen kam. Im Fokus der mehrstündigen Tour lagen der Dom mit seinen teils vorchristlichen architektonischen Bezügen und das Kloster Santa Chiara, das mit einem bezaubernden, aus Emaille gestalteten Kreuzgang unter Zitronenbäumen aufwartete. Der Nachmittag stand zur freien Verfügung, wobei sowohl die einheimische Gastronomie ausgiebig getestet wurde als auch die diversen Museen und Kunstschätze zum Verweilen einluden. Abends sammelten sich alle Teilnehmer wieder zum gemeinsamen Essen.
Am dritten Tag brachen wir früh morgens mit dem Bus nach Salerno auf, von wo wir, in einstündiger Fahrt, mit dem Boot nach Positano fuhren. Die Fahrt führte uns an steilen aufragenden Felsen, an auf und in diese Felsen geschlagenen und gebauten Dörfern vorbei über das tiefblaue Meer. Eine Pause in Positano gab uns die Möglichkeit, das Kleinod zu erkunden, bevor wir, ebenfalls mit dem Schiff, nach Amalfi fuhren. Dort führte uns Francesca durch den Dom und erklärte uns die teils romanischen Kunstschätze, die leider unter Erdbeben, Flut und dem barocken Zeitgeist gelitten hatten. Nach einer kurzen Mittagspause fuhren wir mit dem Bus in die steil aufragenden Berge von Ravello. Obwohl es uns nur eine halbe Stunde Fahrt gekostet hatte, war dieser Weg zu Zeit Wagners ein eintägiger, selbst auf Eseln beschwerlicher Aufstieg, wie wir bei Glasenapp lesen können. Dort in Ravello war jedoch der Wagner-Bezug zum Greifen nahe, hatte doch Wagner in der damals fast verfallenen und zugewucherten Villa „Rufolo“ die Inspiration zum Bühnenbild des Zaubergartens im 2. Akt des Parsifals gefunden. Dankbarerweise war Joukowsky Teil der Reisegruppe, mit der Wagner 1880 die Gegend besuchte, der auch für die Urauführungs-Inszenierung alles gleich in Skizzen festhalten konnte. Vor Ort erinnert daran nicht nur eine Gedenktafel und ein jährliches Musik-Festival zu Ehren Wagners, sondern auch allein durch die Angaben der Regieanweisung, die der Reiseleiter verlas, und der Bühnenbild-Entwürfe, die er zeigte, konnte man sich ein Bild davon machen, was Wagner gesehen und gefühlt haben musste an diesem Ort. Nach diesem langen Tag genossen wir die Heimfahrt durch die Berge, die uns ein wunderschönes Panorama auf die Ebene vor dem Vesuv und auf Capri bot.
Am Samstagmorgen fuhren wir mit einer Fähre nach Procida, einer deutlich weniger frequentierten Insel im Golf von Neapel, die aber mit ebenso bezaubernden steilen Küsten und malerisch bunten Fischerdörfern aufwartet. Während einer kleinen Rundfahrt über die nur wenige Kilometer messende Insel konnten wir einen Eindruck gewinnen und nach einem Spaziergang am Hafen frischen Fisch nach heimischer Art im Rahmen eines üppigen Mittagessens kosten. Nach unserer Rückkehr am späten Nachmittag fieberten wir am Abend dem (musikalischen) Höhepunkt unserer Reise entgegen, dem Besuch der „Walküre“ im Teatro San Carlo. Dieses Opernhaus, das zu den größten der Welt zählt, vermochte allein durch seine ausgeschmückte Innenarchitektur einem die Sprache zu verschlagen.
Die Inszenierung der Oper (Federico Tiezzi) gab sich in reduzierter Form, in der Personenführung sehr klar und vorbildlich, das Bühnenbild (Giulio Paolini) stiftete dabei meist wenig Verwirrung, war aber auch nicht hilfreich, um die wichtigen Natur-Bezüge in der Walküre greifbar zu machen. Unerklärt blieb der Einsatz wortloser Statisten, die immer wieder auf der Bühne auftauchten, um beispielsweise Brünnhilde ihren Speer abzunehmen und wieder anzutragen (?), oder eine Bande Tier-gesichtiger, hässlich anmutender Kreaturen, die voyeuristisch den 1. Akt von der Seite verfolgten. Schauspielerich und sängerisch waren Vida Miknevičiūtė (Sieglinde) und Jonas Kaufmann (Siegmund) auf absolutem Welt-Niveau. Dan Ettinger am Pult schaffte es, die Walküre deutlich über 4 Stunden reine Spielzeit zu reizen, was gerade im 3. Akt zu teils schleppenden Dialogen führte. In Summe hinterließ der Abend einen erinnerungswürdigen Eindruck, da man selten so klar und so authentisch in die Geschwisterliebe des 1. Akts eintauchen konnte.
Am nächsten Morgen fuhren wir bereits mit unserem Gepäck im Bus nach Pompeij, wo wir auf einem ausgedehnten und doch ruhigen Spaziergang noch einmal in eine ganz andere Welt eintauchen konnten. Sicherlich hinterließ der Anblick dieser nun doch so friedlich daliegenden Katastrophe einen prägenden Eindruck. Auf einem Weingut direkt an den Hängen des Vesuvs konnten wir uns bei einer Weinprobe und einem Mittagessen stärken, bevor wir voller Impressionen uns auf den Heimweg Richtung Flughafen machten.
– Benedikt Zimmermann, Reiseleiter