Richard Wagner und das Soziale

Vortrag und Gespräch mit Harald Otto

Vier Tage vor Weihnachten lockte unser Verbandsmitglied Harald Otto trotz regnerisch-stürmischem Wetter eine beträchtliche Anzahl interessierter Zuhörer zu seinem Vortrag „Richard Wagner und das Soziale“ in die Stadtbibliothek Leipzig. Wie schon mit seinem unkonventionellen Buch „Es wagnert in Leipzig“ setzte Harald Otto auch diesmal außergewöhnliche Akzente. Sich beziehend auf Jacob Böhme und A. v. Humboldts „Alles hängt mit allem zusammen“, verwies der Referent nicht nur auf die Verbindungen zwischen Wagners Denken und Tun, seinem Werk und sozial-politischen Handeln, sondern verknüpfte dies weit ausgreifend mit der Sozial- und Kulturgeschichte von Adam und Eva bis zu Klaus Schwab und Bill Gates.

Ein neues irdisches „Paradies“ sei seit jeher ein Wunschbild der Menschen. Auch der junge Wagner erträumte sich „ein nie geahntes Paradies des Glücks“ für eine „befreite Menschheit“ durch die Revolution 1849, an der er sich aktiv beteiligte. Sie scheiterte diesbezüglich aber genauso wie alle anderen vorher und nachher.

Um „Befreiung“, um „Erlösung“ ging es Wagner zeitlebens in all seinen Werken. Doch glaubte er später nicht mehr an die Revolution, die nur „vernichtet“ und „beseitigt“, sondern an die aufbauende Kraft der Liebe. In seinem Opernentwurf „Jesus von Nazareth“ beschrieb er wiederholt die allgemeine Menschenliebe, die Nächstenliebe, als Voraussetzung sozialer Gerechtigkeit.

Anhand der Analyse verschiedener, oft übersehener oder missverstandener Textstellen Wagners und deren Einordnung in historische Zusammenhänge trat Harald Otto weit verbreiteten Vor- und Fehlurteilen zum „Menschen“ Wagner wie auch abwegigen Interpretationen durch das Regietheater entgegen. Aufschlussreich waren beispielsweise seine Zusammenschau von Sachs‘ Wahnmonolog mit den Kanzler-Worten in Goethes „Faust II“ sowie die Deutung der Schlussansprache in den „Meistersingern“ in Bezug auf Schiller und W. v. Humboldt. Alles hängt eben mit allem zusammen. Große Zustimmung im Auditorium.

rp