Ein Lob der Provinz!

Aschersleben, Ballenstedt und „Der Fliegende Holländer“ in Halberstadt

Was heißt hier Provinz? Die Tagesfahrt mit 55 Mitgliedern unseres Verbandes und Freunden Richard Wagners aus Leipzig, ganz Sachsen, Hessen sowie Bayern und Baden-Würtemberg, galt einer Gegend, die im 10. Jahrhundert Wiege des ersten Deutschen Reiches war, gesegnet mit Geschichte, Kultur und anmutiger Landschaft. Für die perfekte Durchführung stand erneut unser Dreamteam Benedikt Zimmermann als Reiseleiter und Busfahrer Peter Richter.

Das Programm begann in Aschersleben, mit 1266 Jahren die älteste Stadt Sachsen-Anhalts. Der Maler Neo Rauch verbrachte hier seine Kindheit und Jugend, bis er zum Studium der Malerei in seinen Geburtsort Leipzig zurückkehrte. Seine Grafikstiftung befindet sich in einem, im Zuge einer Landesgartenschau umgebauten Industriegebäudekomplex. Leiterin Dr. Christiane Wisniewski und ihre Mitarbeiterin Silvia Käther führten sachkundig durch das Haus und die aktuelle Ausstellung „Das Kollegium“. Fazit: Dieser kulturelle Nukleus verträgt mehr als die 7000 Besucher vom Vorjahr.

Die Grafen von Aschersleben waren der Ursprung des Geschlechts der Askanier im Harzvorland, deren berühmtester Spross Albrecht der Bär (ca. 1100-1170) die Mark Brandenburg gründete. Findet sich sein Name und Wappentier in Ortsnamen und Wappen wie Bernburg oder Berlin, so fanden er und seine Gattin Sophie ihre letzte Ruhe auf Schloss Ballenstedt in einer letztmalig von dem Architekten Paul Schultze-Naumburg (u.a. Schloss Cecilienhof in Potsdam) gestalteten Grabstätte. Nach dem in den Klosterstuben pünktlich servierten Mittagessen lohnte ein Blick auf diese Residenz der Anhaltiner, die malerisch angelegte Stadt und ihre Umgebung.

In der alten Bischofsstadt Halberstadt, Bistum seit 804, faszinierte der Dom als gotische Kathedrale. Der vor allem während des 4. Kreuzzugs bei der Plünderung Konstantinopels 1204 durch Bischof Konrad von Krosigk zusammengetragene Domschatz gilt als der bedeutendste in Deutschland, weil niemals ausgeraubt. Die Stadt selbst ist bis heute gezeichnet von einem unorganischen Wiederaufbau nach sinnloser Zerstörung deutscher Kulturlandschaft durch anglo-amerikanische Bomben am 8. April 1945.

Am 1945 an der Richard-Wagner-Straße zerstörten Stadttheater debütierten einst Gustav Gründgens und Theo Lingen. Hier gab es seit 1904 eine bedeutende Wagner-Tradition, nun fortgesetzt im 1949 errichteten Neubau mit der ausverkauften Premiere von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“. Großer Applaus und Standing Ovations am Ende. Die künstlerische Leistung war beeindruckend und die meisten Besucher wussten die großen Anstrengungen, die eine Wagner-Oper mit sich bringt, zu würdigen. Gerade die Hauptrollen, Annabelle Pichlers strahlender, jugendlich wirkender Sopran als Senta, gepaart mit ihrer ausdrucksstarken Bühnenpräsenz, oder Gijs Nijkamp als Daland und Juha Koskela als Holländer konnten überzeugen. Sehr gut gefiel auch der Damenchor. Schon in den ersten, noch unsicheren Takten des Orchesters in der Ouvertüre wurde klar, dass die Stimmen nicht mehr als zweifach besetzt waren. Dieses birgt die Chance durch einen recht klaren Satz wesentlich zur Textverständlichkeit beizutragen. Zeitweise barg diese geringe Tiefe jedoch auch das Risiko, die Gesamtdynamik auf zittrige Beine zu stellen. Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme waren wohltuend unaufregend und bestens geeignet, sich an erbaulichem Musiktheater zu erfreuen. Ein Besuch ist unbedingt zu empfehlen. Der Gesprächsstoff auf der Rückfahrt reichte bis nach Mitternacht, somit bis zum Ende eines abwechslungsreichen und gelungenen Ausflugs.

P.S. Eine Woche nach unserem Besuch wurde auf dem Hof von Schloss
Ballenstedt wieder ein Denkmal für Markgraf Albrecht den Bären eingeweiht.
https://www.mz-web.de/landkreis-harz/denkmal-fuer-albrecht-den-baeren-der-graf-als-mensch-auf-augenhoehe-33480196