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„Wagners Meistersinger. Eine Korrektur“
Vortrag von Dr. Dieter David Scholz in der Stadtbibliothek Leipzig am 12.12.2018
Ein kalter Dezemberabend, doch der Saal ist recht gut gefüllt. Diana Kostadinova (Violine) und Johanna Kegel (Viola) stimmen das Publikum mit ihrem virtuosen Spiel von Mozart- und Cannabichstücken zwar nicht auf Wagner, doch aber auf ein musikalisches Thema ein: Es geht um Wagners „Meistersinger“, und der Referent Dr. Dieter David Scholz hat nichts weniger vor als eine Korrektur der Ansichten über Richard Wagners Oper, die am 21. Juni 1868 in München uraufgeführt wurde und nach dem „Rienzi“ das zu seinen Lebzeiten erfolgreichste Werk war. Der stimmtechnisch leicht indisponierte Musikjournalist, Buchautor und Rundfunkmoderator Scholz hielt dennoch einen präzisen und für sein Publikum sehr einprägsamen Vortrag. Hier sein Plädoyer für die seiner Ansicht nach allzuoft missverstandene und fehlgedeutete Oper: „Der Nürnberger Meistersingertraum Wagners handelt vom Unbehagen in der Kultur und der Sehnsucht, ihm zu entrinnen, von der Kunst als Zuflucht und Beruhigungsmittel angesichts einer banalen und bösen Realität. Der Fachwerkidylle mit ihren verwinkelten Gassen ist allerdings nicht zu trauen, Butzenscheiben-Behaglichkeit und Barbarei, Heiterkeit und Unheimlichkeit hausen in Wagners Nürnberg unmittelbar nebeneinander.
Und doch sollte dieses Nürnberg für Wagner Symbol und Vorbild einer besseren Zukunft werden. In seiner oft missverstandenen, ja skandalisierten Schlussansprache fordert Hans Sachs nicht verstärkte Denkmalpflege, sondern – als Alternative zur Politik – eine Bildungsinitiative, die innovative Kreativität und kulturelles Traditionsbewusstsein vereint.
Die Komische Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“, die am 21. Juni 1868 im Königlichen Hof- und Nationaltheater München uraufgeführt wurde, war nach dem „Rienzi“ das zu Lebzeiten Wagners erfolgreichste Werk. Der Nürnberger Meistersingertraum Wagners handelt vom Unbehagen in der Kultur und der Sehnsucht, ihm zu entrinnen; von der Kunst als Zuflucht und Beruhigungsmittel angesichts einer banalen und bösen Realität. Der Fachwerkidylle mit ihren verwinkelten Gassen ist allerdings nicht zu trauen, Butzenscheiben-Behaglichkeit und Barbarei, Heiterkeit und Unheimlichkeit hausen in Wagners Nürnberg unmittelbar nebeneinander.
Und doch sollte dieses Nürnberg, in dem Kaiser lebten, Reichstage abgehalten wurden und Künstler wie Albrecht Dürer wirkten, dessen ehrwürdige Mauern die Reichskleinodien bewahrten, bis das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 in Dunst zerging, für Wagner Symbol und Vorbild einer besseren Zukunft werden. In seiner (oft missverstandenen, ja skandalisierten) Schlussansprache fordert Hans Sachs nicht verstärkte Denkmalpflege, sondern – als Alternative zur Politik – eine Bildungsinitiative, die innovative Kreativität und kulturelles Traditionsbewusstsein vereint.
In der Mitteilung an seine Freunde, die Wagner 1851 verfasste, heißt es: „Wie bei den Athenern ein heiteres Satyrspiel auf die Tragödie folgte, erschien mir … plötzlich das Bild eines komischen Spieles, das in Wahrheit als beziehungsvolles Satyrspiel meinem »Sängerkriege auf Wartburg« sich anschließen konnte. Es waren dies »die Meistersinger zu Nürnberg«, mit Hans Sachs an der Spitze. Ich fasste Hans Sachs als die letzte Erscheinung des künstlerisch produktiven Volksgeistes auf, und stellte ihn mit dieser Geltung der meistersingerlichen Spießbürgerschaft entgegen, deren durchaus drolligem, tabulatur-poetischem Pedantismus ich in der Figur des »Merkers« einen ganz persönlichen Ausdruck gab.
Wagners „Meistersinger“ sind nicht nur handlungsmäßig Wagners modernstes Drama, ohne Dämonen, Götter oder tragische Helden, niemand stirbt in diesem Werk. Es handelt sich um die einzige Oper Wagners mit Happyend und ungetrübtem Glück der Liebe. Aber das Stück ist auch ein Künstlerdrama. Ein Stück über Musik in Musik. In keinem anderen Bühnenwerk hat Wagner sich derart explizit als Ästhetiker, Moralist, Pädagoge und politisch ambitionierter Denker ausgesprochen. Die Meistersinger sind sein menschlichstes, vor allem aber sein philosophisch ambitioniertestes Werk.“