Leitfaden für Wagners Ring-Tetralogie

Ein weiterer Leitfaden für den Ring? Brauchen wir das? Noch dazu von einem Autor, der vorab schon mal sagt, er sei kein Musikwissenschaftler, kein Musiktheoretiker. Oh ja, diesen Leitfaden brauchen wir! Gerade weil er von einem Musikliebhaber, einem Wagnerfreund und Fan des Ringes verfasst wurde.
Die meisten Ringbesucher haben schon das eine oder andere Mal den Kopf über verschrobene und fremde Formulierungen in Wagners Ring, die sich sprachlich an den alten Germanen orientieren, den Kopf geschüttelt und sind dann beim Lesen der Texte darüber hinweggegangen.
Nicht so Wolfgang Kau, promovierter und praktizierender Rechtsanwalt aus Dresden. Er wollte es genau wissen, wollte den Ring nicht nur auf der Bühne hören und sehen, er wollte verstehen, erkennen, warum die Handlung sich so und nicht anders entwickelt, was steckt hinter jeder Wortzeile, sei es auch nur ein „Weia! Waga! Woge du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala, weiala weia!

Kau ist überzeugt, kein einziges Wort ist zufällig oder bedeutungslos vom Dichterkomponisten bereits 1852 niedergeschrieben worden. Wagner selbst hat vor Freunden und Bekannten daraus vorgelesen. Mit Sicherheit hatte er dabei schon die eine oder andere Musik im Kopf, wenn es auch noch 24 Jahre bis zur Opernaufführung 1876 in Bayreuth dauern sollte.

Wolfgang Kau nahm sich den Text aller vier Ringteile vor, Zeile für Zeile und studierte die Orchesterpartitur, ein mehrjähriges Projekt. Interessant sein Vorgehen: Er las und studierte als erstes die Originale und machte sich sein Bild über die pedantisch und manchmal sonderbar gewählten Wagnerworte und erst nach dieser Mammutaufgabe befasste er sich mit der zum Thema bereits zahlreich vorliegenden Fachliteratur. Und so sind vier Leitfäden zu Wagners Ring entstanden, die im Verlag Königshausen & Neumann bereits 2022 erschienen sind und 14,90 € je Band kosten.
Im Rahmen der Buchmesse kam der Autor nach Leipzig und hat in der Nietzsche-Wagnervilla auf Einladung des Richard-Wagner-Verbandes aus seinen Leitfäden gelesen. Mit viel Charisma und Engagement hat er nicht nur den „triefenden Wagnertext“ flockig interpretiert (seine Worte) und Zeitensprünge erklärt, es blieb auch nicht aus, dass er aktuelle Bezüge des mythischen Weltengeschehens in unsere Gegenwart transportierte, wo das Weltstreben nach Einfluss, Geld und Macht unübersehbar ist und wieder und wieder zu Mord und Krieg führt. Der Ringfluch wirkt auch jetzt noch bedrohlich.
Das war eine sehr kurzweilige Veranstaltung vor einem kleinen Kreis von Wagnerkennern und Wagnerfreunden, die so mancher Interpretation schmunzelnd zustimmen konnten. Für die meisten Besucher wird es auch ein Wissensgewinn gewesen sein, denn so akribisch haben sich wohl nur wenige mit dem Text auseinandergesetzt. Und so ist der Leitfaden Kaus vor jedem der vier Ringabende zu empfehlen.
Frau Ursula Oehme hat in bewährter, sachkundiger Art in die Lesung eingeführt und abschließend auf die Vorzüge der gegenwärtigen Ringproduktion an der Oper Leipzig hingewiesen, die nicht nur die anwesenden Damen des Verlages Königshausen & Neumann interessierten.
Wenn auch das Wort („Am Anfang war das Wort“) im Fokus der Veranstaltung stand, so soll nicht unerwähnt bleiben, dass der musikalische Rahmen von Herrn Friedrich Kirsche gestaltet wurde, der u.a. mit einem verjazzten Albumblatt WWV94 einführte und dafür viel Beifall erhielt.

Eine gelungene Veranstaltung und man darf sich schon auf die nächste Lesung freuen.