„… ein Lied im höchsten Zukunftsstile …“ Friedrich Nietzsche als Komponist

Vortrag und Gespräch mit Thomas Kauba

„Es fehlte an einigen äußern Zufälligkeiten; sonst hätte ich es gewagt, Musiker zu werden“, schrieb der 25-jährige Friedrich Nietzsche (1844–1900). Zeitlebens spielte die Musik für ihn eine große Rolle.

Der Musikwissenschaftler Thomas Kauba verhehlte in seinem Vortrag nicht seine Zuneigung zu Nietzsches Kompositionen. Mit lebendigem und persönlich gefärbtem Vortrag gewann er die Sympathien des Publikums für sich und somit auch für die vorgestellten Werke. In Verbindung mit biografischen Daten zur Kindheit und Jugend Nietzsches erklärte der Referent dessen Motivationen zur Komposition zahlreicher Klavierstücke und Lieder. Instruktive Hinweise förderten über den emotionalen Eindruck der Musikbeispiele hinaus auch deren intellektuelles Verständnis.

Das „Handwerk“ hatte sich Nietzsche mithilfe von Albrechtsbergers Kompositionslehre weitgehend autodidaktisch beigebracht. Seine jugendlichen Pläne waren oft hochfliegend. So begann der Sechzehnjährige ein Weihnachtsoratorium, welches allerdings wie manch späteres Projekt unvollendet blieb. Abgeschlossen wurden nur kleinere Formen. Die Vorbildwirkung von Bach und Beethoven konnte Thomas Kauba durch das Nebeneinanderstellen einiger Werkausschnitte am Klavier überzeugend demonstrieren; für das Liedschaffen waren Schubert und Schumann besonders maßgeblich. Doch fand Nietzsche durchaus auch eigene Töne.

Einflüsse von Wagner sind weniger zu erkennen. Der überwältigende Eindruck von „Tristan und Isolde“ und die Kritik des „Wagner-Lagers“ an Nietzsches Kompositionen dürften zu dessen kompositorischem Verstummen ab dem 30. Lebensjahr beigetragen haben. Sein letztes Werk, den „Hymnus an das Leben“, bezeichnete Nietzsche als „eine Art Glaubensbekenntnis in Tönen, das sich dazu eignen möchte, einmal ‚zu meinem Gedächtnis‘ gesungen zu werden. Denn so ein Philosoph, wie ich, der durchaus keine Gegenwart hat und haben will, hat vielleicht eben damit eine kleine Anwartschaft auf ,Zukunft‘ “. Die Nachwelt setzte allerdings andere Prioritäten.

Reinhard Pfundt

Fotos: Prof. Dr. Helmut Loos