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Siegfried Wagner zum 150. Geburtstag / Vortrag und Stipendienübergabe
„Fidi“, wie Siegfried Wagner genannt wurde, lebte, liebte und kleidete sich wie ein Dandy, und auch die Ehe mit der 28 Jahre jüngeren Engländerin Winifred, mit der er vier Kinder zeugte, konnte wohl nur partiell über seine sexuellen Präferenzen hinwegtäuschen. Was bedeutete das für sein Werk, für sein Leben? Zwei Jahre nach Siegfrieds Geburt hatte man den § 175 eingeführt, den Schwulen-Paragraphen, (der in der DDR 1968 aus dem Strafgesetzbuch und in der Bundesrepublik für ganz Deutschland 1994 gestrichen wurde). Der Journalist Roland H. Dippel – Kulturjournalist, Kulturmanager und freischaffender Theaterdramaturg – schickte sich anlässlich des 150. Geburtstages Siegfried Wagners an diesem schwül-heißen Mittwochabend in der Stadtbibliothek an, den Sohn Richard Wagners aus dessen Schatten herauszuheben und Werk und Persönlichkeit des Opernkomponisten, Dirigenten und Festspielleiters von Bayreuth „für sich“ und unter besonderer Betrachtung seiner Homosexualität zu betrachten.
Etwa 70 Wagnerianer hatten sich an diesem 19. Juni 2019 in der Stadtbibliothek eingefunden, herzlich begrüßt von Vorstandsmitglied Dr. Birgit Heise.
Zu Beginn hatten, einer guten Tradition dieser Veranstaltungsreihe folgend, junge Nachwuchsmusiker die Chance, ihr Können zu präsentieren: Dominik Geschkowitsch, Klavier, und Jonas Busse, Oboe, spielten gemeinsam ein Nocturne von Friedrich von Flotow, Dominik Geschkowitsch dann ein Stück des Filmkomponisten Hans Zimmer – „Portal“. Blumen und die Unterlagen für ihr Bayreuth-Stipendium bekamen, mit herzlichem Beifall bedacht, die Klarinettistin Inken Grabinski, die zur Zeit an der HMT Leipzig ihr Masterstudium absolviert und der an der HMT Rostock studierende Oboist Alexander Kaul, der mit dem Nachwuchspreis der Richard-Wagner-Stiftung ausgezeichnet wurde.
Alexander Kaul bedankte sich mit einem sehr berührenden Solo aus „Parsifal“.
Was mit dem Vortrag von Roland H. Dippel folgte, war keine leicht verdauliche Kost, was angesichts des angekündigten Themas wohl auch keiner der Anwesenden erwartet hätte. Doch Dippel, u.a. auch Mitglied der Internationalen Siegfried-Wagner-Gesellschaft, hatte sich vielleicht ein bisschen zu viel vorgenommen.
Nichts weniger als eine Würdigung der künstlerischen Leistung Siegfried Wagners, seines umfangreichen, in seiner Zeit höchst individuellen Schaffens, dem „viele Wagnerianer keine Chance geben, mit dem Argument, dass da nichts Wirkliches – über Richard Wagner hinaus“ – gekommen sei, hatte der Referent gleich zu Beginn in Aussicht gestellt. Warum aber machte man ausgerechnet Siegfried Wagner diesen Vorwurf, der ebenso auf viele andere Komponisten seiner Generation wie etwa Franz Schreker oder Richard Strauss zuträfe? Und warum würden die Werke Siegfried Wagners, über die Dippel mit viel Sympathie sprach, heute kaum gespielt?
Nach einem kleinen biografischen Abriss, illustriert mit historischen Fotos von Siegfried, Cosima, der Familie, Freunden etc., versuchte Roland Dippel in einem inhaltlich und dramaturgisch etwas unübersichtlichen, leider auch akustisch nicht leicht verständlichen Vortrag viele verschiedene inhaltliche Ebenen nebst zwei Musikbeispielen miteinander zu verknüpfen: das gesamte biografische, künstlerische, ideologische, sexuelle und mitmenschliche Beziehungsgeflecht, in dem sich Siegfried Wagner zeitlebens befand – eine selbstgewählte Mammutaufgabe, keineswegs uninteressant oder uninspiriert, die aber sowohl einen Einzelvortrag, mitunter den Referenten selbst als auch weite Teile des in warmen Dünsten allmählich ermüdenden Publikums gelegentlich zu überfordern schien.
Von Roland Dippel angeregt, möge, wer Genaueres wissen will, selbst nachlesen …