Rezension „Wagners Werk und Wirkung im Deutschen Kaiserreich“

Peter Uhrbachs Buch „Wagners Werk und Wirkung im Deutschen Kaiserreich. Eine Dokumentation zeitgenössischer Leipziger Presseberichte“ erschien im März 2020 im Sax–Verlag als Band 8 der vom Richard-Wagner-Verband herausgegebenen Reihe „Leipziger Beiträge zur Wagner-Forschung“. Der Band bildet die Fortsetzung von Peter Uhrbachs 2018 als Band 7 in genannter Reihe veröffentlichtem Buch „Richard Wagners Werk in Leipzig von den Anfängen bis zum Tode des Dichter–Komponisten“.

In dem vom neu erschienenen Band werden die Ereignisse von Wagners Tod bis zum Ende des Kaiserreichs 1918, – ein Zeitraum von 36 Jahren –, in thematisch-chronologischer Ordnung in Form von Rezensionen, Berichten und Beiträgen aus der Leipziger Presse auf 274 Seiten dargelegt. Es handelt sich um eine bunte Auswahl von kürzeren und längeren Originalbeiträgen, die ein Bild des lebendigen kulturellen Klimas in Leipzig in diesem Zeitraum vermitteln sollen. Schon das Cover des Bandes verweist auf Wagners Nachwirkung in Leipzig. Abgebildet ist der markant seitlich aufgenommene Kopf Wagners aus der von Melchior von Stassen (1832–1896) geschaffenen Marmorbürste Richard Wagners, die heute im Foyer der Leipziger Oper steht.

Leipziger Beiträge zur Wagner-Forschung Band 8

Nach einem Geleitwort des ehemaligen Vorsitzenden des Richard-Wagner-Verbandes Thomas Krakow und einer kurzen Einleitung des Autors zu Richard Wagner und seinem Werk in der Leipziger Presse folgen thematisch geordnet die Kapitel mit den benannten Presseberichten. Folgende thematische Gliederung wurde vorgenommen: „Völlig unerwartet stirbt Richard Wagner“, „Über den Tod Wagners hinaus wirkend – Angelo Neumann und sein Wagner-Theater“, „Nach Richard Wagners Tod“, „Angelo Neumann ist ein zweites Mal mit einem Wagner–Theater unterwegs“, „Der mühsame Weg zu einem Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig“, „Über die 1890er Jahre bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts“ und „Die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts“. Das Buch schließt mit einem umfassenden Anhang, der eine chronologische Übersicht der Aufführungen Wagnerscher Bühnenwerke im Leipziger Stadttheater von 1883 bis 1918 auf 34 Seiten beinhaltet. Hinzu kommen Hinweise zu weiterführender Literatur, ein Bildnachweis und einige Anmerkungen zum Autor.

Das Buch geht, mittels abgedruckter Rezensionen und Berichten aus Zeitungen, der Frage nach der Resonanz von Wagners Werk, der Aufführungsweise, der Publikumswirkung, der wissenschaftlichen Beurteilung, der Publikation und Rezension im Pressewesen, der Beeinflussung von Aktivitäten Leipziger Bürger und Bemühungen zu Pflege und Verbreitung des Werkes, nach. Rezensionen aus dem Leipziger Tageblatt, den Leipziger Neuesten Nachrichten, der Leipziger Volkszeitung, der Neuen Zeitschrift für Musik, dem Musikalischen Wochenblatt, den Signalen für die musikalische Welt, Die Grenzboten, Die redenden Künste, Die Gartenlaube und Die Musik werden unter großteiligem Verzicht auf Kommentierung der zitierten Originale abgedruckt. Auch Bezüge zur Gegenwart, Vergleiche zum Hier und Heute wurden unterlassen. Der Autor wünscht, laut seinem Vorwort, dass sich jeder Leser seine eigene Meinung zum gedruckten Original bilden möge. Der Verzicht auf jegliche Kommentierung hat aber auch Schattenseiten. Eine Erklärung wichtiger Ereignisse im Zeitgeschehen, zur Nachwirkung von Richard Wagner, zum Leipziger Geistesleben der Zeit, weitere Informationen zu den in den Rezensionen genannten Personen würde auch Interessierten, die keine Wagner-Kenner sind bzw. sich nicht speziell mit Wagners Nachwirkung in Leipzig befasst haben oder Hintergründe erfahren möchten, einigen Zugewinn bringen. Fußnoten mit den Quellenangaben zu den abgedruckten Zeitungsberichten erleichtern die Übersicht und ein eventuelles Nachschlagen in der damaligen Originalpresse. Besonders hoch zu schätzen ist im Anhang die Darstellung der chronologischen Übersicht zu Aufführungen Wagnerscher Bühnenwerke im Leipziger Stadttheater von 1883 bis 1918. Hier kann man sich schnell einen Überblick über die Bühnen-Nachwirkung des Dichter-Komponisten in der Stadt Leipzig verschaffen.

Alles in allem ein interessanter und lesenswerter Band zur Pressenachwirkung Richard Wagners in Leipzig. Ein umfangreich und gut recherchiertes absolut lesenswertes Buch, das die vielfältigen Presseerzeugnisse zu Wagner geschickt zu bündeln vermag und einen informativen und abwechslungsreichen Lesegenuss beschert. Die Text-Auswahl soll laut Autor Peter Uhrbach „ein authentisches, vielseitiges und differenziertes Bild der damaligen Ereignisse und Anschauungen“ vermitteln. Das ist ihm gelungen. Meine absolute Leseempfehlung, auch wenn einige Zusatzinformationen zu den Presseerzeugnissen den Band noch zusätzlich bereichert hätten.

Dr. Claudia Behn

((9783867292481)) Leipziger Beiträge zur Wagner-Forschung 8: Wagners Werk und Wirkung im Deutschen Kaiserreich von Peter Uhrbach, hrsg. vom Richard-Wagner-Verband Leipzig, Sax-Verlag Beucha-Markkleeberg 2020, ISBN 978-3-86729-248-1, Broschur, 14,8 × 21 cm, 276 Seiten mit 23 SW-Abbildungen, 19,80 Euro. Erhältlich in der Geschäftsstelle. Während der Corona-Pandemie bestellen Sie bitte telefonisch bei Josef Hauer unter 0177 4331319 oder per Mail gs@wagner-verband-leipzig.de

… und noch eine Zugabe:

(aus https://deropernfreund.de/neue-buecher.html )

Richard Wagner im Leipziger Kaiserreich – eine interessante Blütenlese

Peter Uhrbachs „Dokumentation zeitgenössischer Leipziger Presseberichte“

Richard Wagner und die Presse – das Material ist bekanntlich schier gewaltig. Eine komplette Presseschau auf Wagner muss schon angesichts der Einträge in Nikolaus Oesterleins Wagner-Bibliothek utopisch bleiben, doch Editionen, die sich einzelnen Orten oder Perioden widmen, sind nach wie vor möglich und nötig, denn, so Peter Uhrbach in seinem Vorgängerbuch, „die Tagespresse war für die Bürger des 19. Jahrhunderts die wichtigste und aktuellste Informationsquelle“. Nachdem er sich der Leipziger Publizistik der Jahre 1831 bis 1883, vor allem im Leipziger Tageblatt und in der AMZ (der Allgemeinen Musikalischen Zeitung), gewidmet hatte, legte er nun mit dem achten Band der vom Leipziger Wagner-Verband herausgegebenen „Leipziger Beiträge zur Wagner-Forschung“ eine Blütenlese aus den von Wagners Tod bis 1918 erschienenen Leipziger Presseberichten vor.

Auch diesmal bietet uns der Herausgeber keine Kommentare zum Sammelwerk, dafür auf 200 Druckseiten eine möglichst breite Palette an Themen: von den ersten populären Besprechungen von Opern und Konzerten, die keinerlei Anspruch auf musikkritische Dignität erheben, zu den ersten ernsthaften Rezensionen, die um 1900 zu erscheinen beginnen. Dem Nachruf Richard Pohls folgen die Erinnerungen Ferdinand Avenarius’, des Ehemannes Cäcilie Wagners, an die Jugend des kleinen Richard, dann gibt Wagners Bayreuther Paladin Hans von Wolzogen einen Bericht über die ersten Jahre des Wagner-Vereins ab. Grundsätzlichere Aufsätze behandeln Wagners Opernreform, während hier eine Ausstellung mit Wagner-Gemälden Ferdinand Leekes kritisch besprochen und dort vergeblich darum gebeten wird, Nikolaus Oesterleins bedeutende Wagner-Sammlung doch bitteschön für Leipzig zu erwerben. Siegfried Wagner gerät für ein paar Seiten in den eher kritischen Fokus, Aufsätze über das Opernfragment „Die Hochzeit“ und die Entdeckung der C-Dur-Symphonie, auch Hinweise auf Aufführungen und Drucke seltener Jugendstücke (die fis-Moll-Klavierfantasie und die Ouvertüre zum „König Enzio“) fehlen nicht. Literaturkritiker nehmen die Briefe an Minna Wagner und Glasenapps Gedicht-Ausgabe, auch des großen Leipziger Theatermannes Angelo Neumann „Erinnerungen“ unter die Lupe. Man liest mit Vergnügen, wie sich gelegentlich die polemische Feder an einer „gruseligen“ Holländer-Aufführung abarbeitete, nimmt die ausführlichen Rezensionen zum ersten Leipziger „Parsifal“ als wichtige Zeugnisse lokaler Erstaufführungen wahr – und wird geradezu an die Gegenwart heutiger Musikkritiken erinnert, wenn hier von den (angeblich) zu schnellen und dort von den (scheinbar) zu langsamen Temp, nicht nur bei Hermann Levi, die Rede ist. Mit einem Wort: Durch das Dickicht der bisweilen arg pathetischen Beiträge leuchtet manch Erkenntnis, die unbewusst zwischen Gestern und Heute vermittelt.

Wer Lust hat, sämtliche Beiträge zu studieren, die 1883 bis 1918 in Sachen Wagner in der Leipziger Presse erschienen, hätte lange zu tun. Der dokumentarische Anhang – mit einem 35 Seiten umfassenden Verzeichnis aller Bühnenwerksaufführungen Richard Wagners, die im behandelten Zeitraum im Stadttheater stattfanden, sowie 32 kleingedruckten Seiten mit ca. 600 Nachweisen aller Wagnerartikel des Leipziger Blätterwaldes – lädt geradezu ein, einige weitere Aufsätze, Artikel, Traktate, Polemiken und Grundsatzbeiträge, die oft weit über den Lokalbezug hinausgehen, aus den Archiven zu holen. Kommt hinzu, dass Uhrbach die Bibliographie sinnvoll ge-und differenziert untergliedert hat: zur Lebensgeschichte, den einzelnen Werken, zur Darstellung und Verbreitung eben dieser Werke, schließlich zu den Künstlerporträts und Nachrufen, den Vereinen und den Anzeigen und Rezensionen zur Wagner-Literatur. Der Leipziger Kapellmeister Gustav Mahler taucht, sehen wir von einer einsamen Erwähnung im Textteil ab, wenigstens hier prominent auf. Der Rest ist eine insgesamt unterhaltsame Sammlung, die uns Einiges über das relativ einschichtige Verständnis zumal des deutschen Bürgertums in Sachen Wagner verrät.

Frank Piontek, 5.5. 2020