Alle 13? – Ein Ausblick auf das Projekt Wagner 2022

Vortrag und Gespräch mit Dr. Christian Geltinger, Leipzig

Zur Eröffnung der Saison 2020/21 hat der Richard-Wagner-Verband Leipzig Dr. Christian Geltinger, den Chefdramaturg der Oper Leipzig, eingeladen, über den Plan der Aufführung sämtlicher vollendeter Bühnenwerke Richard Wagners im Jahre 2022 zu sprechen. Großer Dank gilt wieder der Stadtbibliothek Leipzig, Frau Brigitte Geyer, die uns gastfreundlich wie immer den großen Oberlichtsaal im zweiten Stock zu Verfügung gestellt und nach Pandemie-Regeln vorzüglich eingerichtet hat, so dass 45 angemeldete Verbandsmitglieder sicher Platz fanden. Unser Referent führte sogleich in den ehrgeizigen Plan der Oper Leipzig ein, „alle 13“ Wagnerschen Bühnenwerke innerhalb von dreieinhalb Wochen aufzuführen, ein Mammutunternehmen, das Intendant und Generalmusikdirektor UIf Schirmer schlicht mit den Worten begründet: „Weil wir es können!“ Tatsächlich ist dies das Ergebnis einer systematischen Erarbeitung des Bühnenrepertoires, die von der Oper Leipzig in der Ära Schirmer geleistet worden ist und Leipzig als zweite Wagnerstadt neben Bayreuth etabliert hat. Auf kritische Bedenken, ob eine derartige Konzentration auf Wagner denn richtig und zeitgemäß sei, ob damit nicht einer traditionellen, durchaus problematisch gesehenen Heroisierung ungebührlich Vorschub geleistet werde, ging Christian Geltinger ausführlich ein und betonte die Kontextualisierung, die von der Oper in begleitenden Aktionen unternommen wird und zu der auch andere Institutionen der Stadt eingeladen sind. Er erinnerte an die erste Leipziger Gesamtaufführung der Bühnenwerke Wagners im Jahre 1938 anlässlich seines 125. Geburtstags. Sie standen ganz im Zeichen nationalsozialistischer Ideologisierung und beleuchten schlagartig das „Problem Richard Wagner“. Überraschend führte Geltinger aus, dass die Idee jedoch keineswegs nationalsozialistischem Ideengut entstammte, sondern einen Plan Gustav Brechers plagiierte, den der Leipziger Generalmusikdirektor im Jahre 1933, kurz vor seiner Vertreibung aus Leipzig, verfolgt hatte. Seit 1914 an der Oper Leipzig tätig, stand Brecher nicht nur innovativen „Zeitopern“ mit Uraufführungen von Jonny spielt auf, Leben des Orest (Ernst Krenek) und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (Kurt Weill) positiv gegenüber, sondern verlieh auch dem Werk Richard Wagners mit neuartigen Inszenierungen durchaus kontrovers aufgenommene Aktualität. Mit seiner ausführlichen Würdigung der Ära Gustav Brecher verwies Christian Geltinger auf einen bedeutenden Leipziger Künstler, dem 2022 im Rahmen der Wagner-Festtage eine besondere Würdigung zuteilwerden wird.

Fotos: Michael Ranft