Rückblick auf die Bayreuther Festspiele 2018

Noch immer, auch in der 107. Ausgabe, ist die Eröffnung der Festspiele spektakulär. „Lohengrin“ war ein farbgewaltiges Ereignis. In Begleitung von Neumitglied und Student Franz Scheller und mit Kulturpromis wie Thomas Gottschalk und etlichen Schauspielern in einer Reihe sitzend, entfaltete sich das opulente Historiendrama um Liebe, Macht und Moral. In der Pause lautes Spektakel der Presse um den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der seine neue Freundin vorführte, sowie gute Gespräche mit alten und neuen Bekannten, Wagner-Verbandsvorsitzenden und Leipziger Mitgliedern, wie Wolf-Dietrich Speck von Sternburg. Das bot sich auch beim Staatsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder im Neuen Schloss, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten Andrej Babiŝ (Tschechien) und Mark Rutte (Niederlande). Am Morgen danach im Hotel lautes Einsingen unter der Dusche im Nachbarzimmer. Kurz danach stieg Thomas J. Mayer in seinen Porsche, um am zweiten Abend im Festspielhaus den Amfortas im „Parsifal” zu singen. Bei den Stipendiatentagen gab es einen kurzen Menschenauflauf vor dem Denkmal Richard Wagners. Die Leipziger Stipendiaten und etliche Mitglieder unseres Verbandes trafen sich zum Gruppenbild, um danach mit einem Glas Sekt auf den Meister anzustoßen. Abgerundet wurden die ereignisreichen Tage durch das gemeinsame Abendessen von Stipendiaten, Mitgliedern und Vorständlern der partnerschaftlich verbundenen Richard-Wagner-Verbände Leipzig und Frankfurt am Main im Restaurant der „Lohmühle”. Aber nicht überall war Harmonie. Das jährliche ambitionierte Großplakat der Oper Leipzig für ihr Wagner-Programm in der Geburtsstadt des Komponisten wurde Ziel eines Anschlags. Am Hohenzollern-Ring im Zentrum der Stadt stark beschädigt, waren alle Hinweise auf Ort und Veranstalter abgerissen. Thomas Krakow

Neo Rauch & Rosa Loy – ein Leipziger Künstlerpaar in Bayreuth

Zur Direktübertragung des „Lohengrin“ am 25. Juli 2018 im Cinestar Leipzig bat Redakteurin Ursula Oehme die Leipziger Künstler Hartwig Ebersbach und Rainer Schade um ihre Meinung zur Arbeit ihrer Kollegen Neo Rauch & Rosa Loy. Beide sagten sofort zu. Wir danken ihnen vielmals, dass sie Wort gehalten haben.

O Mensch!

Der Traum vom großen Menschen, final, Omega-Typus, Gottmensch, griechischer Mythos, deutscher, als Übermensch Goethes, Nietzsches (noch deutscher leider auch Hitler), überlebt bis heute als Künstlergenie, allerletzte Spur der alten Götter, und Zukunftsideal.

Zugegeben, elektrisiert vom Mythos-Pathos der „Lohengrin”-Aufführung 2018 im Bayreuther Gralstempel ist es das Verdienst von Neo Rauch und Rosa Loy, mich, in eigener mythischer Strukturierung, auch für diese Welt geöffnet zu haben. War mein Interesse zunächst eher eine Freundschaftsbezeugung ihnen gegenüber, verdanke ich ihnen nun meine Bereitschaft zur späten Versöhnung mit Wagner. Wieso ich bisher keinen Zugang zu Wagner und zur deutschen Mythologie fand? Ich fürchte, mein Vater, als eingefleischter Wagnerianer, hatte mir diese Tür eher verschlossen, statt sie zu öffnen. Wagner morgens, Wagner abends, Wagner im Stadttheater, Wagner im Radio, auf dem Grammophon, im Kopf, überall. Nicht zuletzt der Hang der Vorväter zum urgermanischen Okkultismus hat in mir Ablehnung und Auflehnung aufkeimen lassen. Ich wollte Terrorist werden. Ich bin Maler geworden. Schade oder Gottseidank. Nun in Respekt vor Wagners Genie und seinem Prinzip Wirkung, das bis heute weiterhin waltet, bis Hollywood. Und Neo Rauch?, von dem ich weiß, seit dem frühen Tod seiner Eltern führt auch er einen mythischen Kampf um Künfte: Herkünfte, Ankünfte, Hinkünfte. Und dass er sich des Themas Lohengrin annimmt und als Künstlermetapher definiert, ist ein wichtiges Bekenntnis. Auch wie er diese Allegorie sich anverwandelnd einfärbt, Rauchblau und Rosarot, seine erstmalige Bühnenarbeit als Gemeinschaftswerk.

Es muß zerreißend gewesen sein, der eigenen Schöpfung Eigenleben erwartend, solches plötzlich sich entfaltend vor Augen zu haben, in Glück und Furcht zugleich.
Ich denke an das Golem-Sinnbild. Wie nun alles pulsiert um das Zentrum der Schöpfung als Umspannwerk, umschwirrt von geflügelten Zwischenwesen im Banne des Übermenschen. Blaulicht – Rotlicht. Regie? Für mich alles Neo Rauch. Er schlägt vor uns sein Bilderbuch aus fremden Kinderzeiten auf, wo sich Kulissen und Figurinen steif erheben, wie aus einem Ausschneidebogen, Selbstbezüge und Zuspiele an das Mythenkombinat Wagner. Zuspiel ist Dienen! Konservativ? Zeit der Umbrüche heute. Nach der Moderne ist dem Konservativen Zukunft prophezeit. Neo Rauch bildet eine Brücke dahin! Applaus. Hartwig Ebersbach

Ein Blick auf und hinter die Kulissen

Wie schön, wenn man als Maler durch das Unterholz seiner Malerei streifen darf, weil die eigenen Visionen materialisiert worden sind. Das von Neo Rauch entworfene Bühnenbild und die von Rosa Loy kreierten Kostüme prägen auf wundersame Weise die Aufführung des „Lohengrin“ 2018 in Bayreuth. Der Opernfreund wird neben der akustischen Opulenz vollends in die Bildwelt des Malerehepaares gezogen. Die Komparsen agieren verkleidet wie das Personal Loyscher Bilder, die eventuell noch zu malen sind, füllen das überlebensgroße Gemälde ihres Ateliernachbarn Rauch und animieren es opernhaft. Den Leipziger Theaterwerkstätten gebührt in diesem Zusammenhang sicher ebenso großes Lob für die präzise und einfühlsame handwerkliche Umsetzung der Vorlage. So entstand wie selbstverständlich eine total harmonische Symbiose, die suggestiv die Qualität der Ausstattung des Bühnenstücks garantiert.

Nicht romantisch historisierend, nicht krachmodern gegen den Strich gebürstet, dennoch zeitgemäß sind die Versatzstücke und Symbole bis ins Detail. Faszinierend empfand ich die fließenden Übergänge von real gebauten Interieurs und illusionistisch gemaltem Zubehör. Die bis auf wenige komplementäre Farbräume ganz in Blau getauchte Bühnenpräsenz trifft voll und ganz die Raumtemperatur des Geschehens. Die energetischen Aufladungen werden nicht allein dem Orchester und dem Gesang überlassen, sondern finden sich im Bild und in der Elektrotechnik wieder. Einen solchen Schwan, zur Raumfahrt scheint er geeignet zu sein, hat der Autor dieser Zeilen noch nie gesehen – mein lieber Schwan! Die Akteure bekamen von ihrer Kostümbildnerin fragile Flügel verpasst und hätten trotz der Schwere des Geschehens jederzeit abheben können. Damit stellt sich eine angenehme Balance zwischen Wagnerscher Gravitation und der, meines Erachtens, sehr gelungenen Gesamtausstattung des „Lohengrin” 2018, die es nicht an unterschwelligen Hinweisen auf das Heute fehlen lässt, her. Respekt.

Diese Arbeit muss für das Künstlerpaar eine schöne Erfahrung gewesen sein und ihm große Freude gemacht haben. Genau diese überträgt sich auf den unvoreingenommenen Opernbesucher, egal, ob Wagnerianer oder auch nicht. Rainer Schade

Fotos: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath, Uwe Walter, Berlin, RWV Leipzig