Wagner Reise Sizilien

Graf Tasca ließ es sich nicht nehmen, die Wagner-Freunde aus Deutschland und der Schweiz am Tor zu dem Park, den der Meister so liebte, persönlich zu empfangen. Der bewunderte Drachenbaum steht dort noch immer am selben Ort. Damals wie heute drehen zwei weiße Schwäne, „Tristan und Isolde“, ihren Runden auf dem kleinen See. Und auch sonst wird sich nicht viel verändert haben, seit Richard mit Cosima und Kindern im Winter 1881/2 Garten und Gastfreundschaft des Grafen Giuseppe Tasca in Palermo genoss, Ur- Ur-Urgroßvater des heutigen Namensträgers.
Auch er bewirtete seine Besucher großzügig mit kleinen Pizzen und eigenem Wein. Stolz zeigte er ihnen Wagner-Schriften im Original: Noten zum dort vollendeten Parsifal beispielsweise, gewidmet „der edlen Freundin Gräfin d’Almerita Tasca“. Gern erzählte er Anekdoten, etwa die von dem Klavierspiel vor der geladenen Palermo-Prominenz, das der genervte Wagner in die Länge zog, bis der letzte Gast das Weite suchte. Dichtung oder Wahrheit? Alles ist möglich.

Wagner hatte im nahe gelegenen Sommerhaus des Fürsten Gangi Zuflucht gefunden, Tascas Schwiegersohn. Er hatte es nicht mehr ausgehalten in der Bel Etage des „Hotel des Palmes“, seinem ersten Domizil in der Stadt. Außen nur wenig verändert, befindet es sich derzeit im Prozess der inneren Rekonstruktion. Weshalb der dort geplante, vom genius loci inspirierte „aperitivo“ leider ausfallen musste. Das Sträßchen dahinter aber ist mit „Ricardo Wagner“-Schildern geadelt. Ein Fünf-Sterne-Haus hat dort, obwohl noch jung an Jahren, flugs den berühmten Namen okkupiert und ein Wagner-Bild im Salon platziert.

Wagner liebte bekanntlich lange Spaziergänge, und es fiel nicht schwer, seiner Fährte zu folgen: zunächst über die Via Liberta, damals wie heute Palermos „Champs Elysees“, zum Englischen Park. Dann durch die Altstadt zur Porta Nova, vorbei am damals im Bau befindlichen Opernhaus, dem Teatro Massimo am Verdi-Platz. Was dem Meister nicht vergönnt war, wurde seinen Pilgern geboten: eine Führung mit anschließendem Solisten-Auftritt vor der Königsloge: Arien aus Mascagnis „Cavalleria Rusticana“, ein Stück, wie es sizilianischer nicht sein könnte: enttäuschte Liebe, verletzte Ehre und blutige Rache.
An der Hafen-Balustrade entlang führte Wagners Weg häufig zum heutigen Volkspark am Strand. Dort organisierte die bestens vorbereitete, schier unermüdliche Tourleiterin Anita Bestler mit Busfahrer Carmelo unter blauem Himmel eine Art Wagner-Gedächtnis-Picknick. Anschließend öffnete sie die Türe ins Reich der Gräfin Alwine. Im Palazzo Federico mit Normannenturm auf der Stadtmauer hat die eingeheiratete Salzburgerin den Adels-Glanz von fast 1000 Jahren reanimiert. Könnte Wagner auf dem historischen Pleyel-Flügel improvisiert haben? Sein Porträt an der Wand möchte es glauben machen.

Anita ebnete auch den Weg zu einem weiteren außerordentlichen Höhepunkt bei der Spurensuche: den Besuch bei Baronin und Baron Pennisi in Arcireale an der Ostküste der Insel, nahe Catania. Sie gewährten den Zutritt zum Park hinter ihrem klassizistischen Palazzo, der als „Grand Hotel des Bains“ einstmals bessere Tage sah. Der reiche „Schwefel-Baron“ Agostino Pennisi hatte Wagner und Familie dort im März/April 1882 über drei Wochen lang -wohl kostenlos- aufgenommen. Sein Gast hatte den Park, vor allem aber auch das gegenüber liegende Thermalbad gerne genutzt. Außerdem hielt der Zug, mit dem er aus Palermo angereist war, unmittelbar vor der Haustüre. Gefreut habe er sich, so erzählt der heutige Baron Pennisi, über das Ständchen der örtlichen Kapelle unter seinem Balkon, mit Stücken von Bellini und –natürlich- vom verehrten Meister aus Deutschland. Inzwischen hat der Bahnhof seine Mission verloren, der Eingang zu den Thermen ist verschlossen. Im einstigen Luxushotel wohnt das Ehepaar Pennisi allein. Einmal im Jahr öffnen sie den Park mit seinen schönen alten Bäumen für ein Konzert. Orangerie, Teehaus und Fasanerie bedürften dringend der Erneuerung – Raum und Gelegenheit für Aktivitäten, gar für eine Sektion des Wagner-Verbandes?

Die touristischen Sizilien-Klassiker fehlten natürlich nicht im Reiseprogramm: Von den Domen in Palermo und Monreale und der Hofkapelle im Normannenschloss mit ihren goldenen Mosaiken, den Sarkophagen des Normannenkönigs Roger II und des Staufer-Kaisers Friedrich II bis zu den steinernen Zeugnissen aus griechischer und römischer Zeit im frühlingsbeatmeten Landesinneren oder dem Theater in Taormina, das freilich im Unwetter unterging. Der Etna empfing die Reisenden aus dem Norden zunächst mit Kälte, Sturm und Schnee. Erst zum Abschied leuchtete er wieder verlockend weiß und weit in der hellen Sonne.